#mentalhealthawareness

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connam
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#mentalhealthawareness

Beitrag von connam »

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connam
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Re: #mentalhealthawareness

Beitrag von connam »

Dieser Thread bezieht sich auf einen Post in einem anderen Faden, der nicht die richtige Plattform für dieses wichtige Thema ist.
Deshalb zieht es jetzt hierher um. Noch mehr als im Rest des Forums ist hier der respektvolle Umgang miteinander ein Muss.
If you can't be nice, be quiet.
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Whitby Cat
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Re: #mentalhealthawareness

Beitrag von Whitby Cat »

connam, ich weiß zwar nicht auf welchen Post Du Dich beziehst,
aber ich stimme Dir gerne zu.
Respekt und Toleranz sollten hier im Forum an oberster Stelle stehen.
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connam
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Re: #mentalhealthawareness

Beitrag von connam »

Nein, nein, Whitby Cat, es gab keinerlei "Verfehlung" oder ähnliches. Der Umgangston hier im Forum ist prima, und ich bin sicher, dass das auch so bleibt :-).
Ich erwähne das hier nur, weil das Thema des Threads ein so wichtiges ist und man deshalb entsprechend damit umgehen sollte.

Jährlich erkranken in Deutschland rund 5,3 Millionen Menschen an einer behandlungsbedürftigen Depression. 2016 wurden etwa 263.400 Patienten mit Depressionen vollstationär im Krankenhaus behandelt. Die Zahl der Behandlungsfälle hat sich damit seit der Jahrtausendwende mehr als verdoppelt. Ca. 25% der Bevölkerung in Europa erleben innerhalb eines Jahres Depressions- oder Angstzustände. Diese Zahlen bedeuten, dass jeder 4te Deutsche entweder in der Familie bzw. im Freundeskreis oder selbst von Depression betroffen ist.
In den USA gibt es deutlich mehr Bemühungen, psychischen Erkrankungen das Stigma zu nehmen als in Europa. Das sieht man schon allein an den Hashtags #itsokaynottobeokay, #mentalhealthawareness oder #nostigma. Denn obwohl Depressionen gut therapierbar sind, werden noch ca. 50% aller schweren Depressionen nicht behandelt. In Europa liegt Deutschland allerdings ziemlich weit vorne, was den Umgang mit der Erkrankung angeht. Es gibt weniger unentdeckte Erkrankungen und mehr Therapeuten als in anderen Ländern.

Mir wurde 2001 eine Erschöpfungsdepression diagnostiziert; heute nennt man das Burnout. Bei mir kam damals noch ein Tinnitus dazu, so dass ich nicht mehr richtig schlafen konnte, und arbeiten konnte ich auch nicht. Ich war ein dreiviertel Jahr krankgeschrieben und schaffte zwar danach den Sprung zurück ins Arbeitsleben, aber tatsächlich dauerte meine Krise deutlich länger. Und der Weg aus dem dunklen Loch war alles andere als ein gerader Pfad.
Aber das Durchhalten hat sich gelohnt, denn ich bin heute viel mehr ich selbst als ich es vor meinem Zusammenbruch war.
Die schwierige Zeit hat mir vor allem zwei Dinge gezeigt. Erstens: es gibt keine Standardlösung, wie man mit einer mentalen und/oder emotionalen Krise bzw. Erkrankung umgeht. Jeder muss seinen ganz eigenen Weg finden. Aber an professioneller Hilfe kommt man nicht vorbei, und man sollte nicht zögern, sie sich zu suchen. Das Angebot ist heute besser als früher, aber noch lange nicht ausreichend.
Und zweitens: man muss gnadenlos ehrlich zu sich selbst und manchmal auch zu den anderen sein. Authentizität. Das ist der Schlüssel. Man kann sich nicht dauerhaft verbiegen, ohne krank zu werden. Zumindest gilt das für mich.
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Re: #mentalhealthawareness

Beitrag von Whitby Cat »

Oh, da hatte ich wirklich was falsch interpretiert. :)

Ich bewundere Dich für Deinen Mut, über Deine Erkrankung
so offen zu reden. Denn wie Du sagst, so etwas wird noch oft
stigmatisiert.
Vor 11 Jahren war ich auch auf dem Weg in den Burn Out,
konnte mich aber noch am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen.
Es tut gut zu wissen, daß man in D im Fall einer ernsthafteren
Erkrankung gut aufgehoben ist.
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WillsImzadi
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Re: #mentalhealthawareness

Beitrag von WillsImzadi »

Ich bin 2011 bei der Arbeit so dermaßen gemobbt worden dass ich Angstzustände und eine Depression bekam. 6 Monate krankgeschrieben, Arbeit verloren da befristeter Vertrag. Danach trotz der Depression noch meine schwer demenzkranke Großmutter gepflegt bis sie im Januar 2016 starb. Danach in ein ganz tiefes Loch gefallen ,da Familie mich links liegen ließ. Mit ganz viel Hilfe meiner damaligen Therapeutin die Kurve gekriegt. Habe mir Unterstützung für Sachen geholt die ich nicht mehr alleine schaffe.
Momentan mache ich eine Maßnahme von der ich mir erhoffe dadurch wieder ins Berufsleben starten zu können. Muss aber in eine andere Richtung gehen als das was ich bisher gemacht habe, da ich dorthin nicht mehr zurückkehren kann. Momentan geht es mit der Depression, aber ab und zu geht es mir nicht so gut und ich versuche mich selbst wieder aus dem tiefen Loch zu holen. Bis jetzt klappt es immer irgendwie!

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Mr.Picard
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Re: #mentalhealthawareness

Beitrag von Mr.Picard »

Ich freue mich auch über Mental Health Awareness Aktionen, es ist wichtig, dass man nicht stigmatisiert wird sondern Hilfe/Unterstützung/Verständnis bekommt. Ich bin selbst auch nicht ganz "stabil" (milde ausgedrückt). Spreche da aber eher nicht drüber. (Ich weiß, Fehler.)
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Yshira
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Re: #mentalhealthawareness

Beitrag von Yshira »

Da ich den Thread ja erlaubt habe an anderer Stelle hier im Forum, gestatte ich mir mal ihn als Wichtig! zu markieren, denn ich finde dieses Thema sollte nicht einfach nebenbei bleiben sondern ernst genommen werden.

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connam
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Re: #mentalhealthawareness

Beitrag von connam »

Ich habe heute zufällig einen Post auf Twitter von Matt Haig, einem Schriftsteller aus Sheffield, gelesen, der selbst mit Depressionen zu kämpfen hatte.

Er schreibt (deutsche Übersetzung weiter unten im nächsten Post):

20 years ago, I went through a breakdown that very nearly killed me. A new pain incomparable to anything I’d known. Still feel it’s ripples now. Never thought I’d see past 24. Am 44 next week. You hold on long enough and things shift. You become a new person. Life emerges reborn.
I still have dips. Bouts of anxiety. Moments of self-destruction or creeping doom. But I now realise that I can cope with more than I realise. I can be stubborn as hell and stay alive when it seems impossible. It has made me feel I can accomplish other impossible things.
To the millions going through similar, depression lies. It lives in you. Therefore, you contain it. You are bigger than it. You are the sky waiting for the cloud to pass. And that’s the thing with weather, and minds. They change.
The idea I’d still be with my partner or having kids or writing books or visiting a film set tomorrow no way mate. That was impossible. Totally impossible. At 24 I didn’t even believe in next week let alone a future. I knew I didn’t have a chance. I absolutely knew it. Yet I did.
And I can come across a bit shy or strange or stubborn or proud or weird sometimes and that’s just the price of surviving through some weird invisible war no-one ever saw, where no medals were handed out, and where the enemy I had to beat or accept was myself. But I’ll take it.
And the point of this thread is: don’t judge another’s pain. Don’t belittle mental illness. I had nothing - absolutely nothing - to compare the total pain I went through. Nothing came close. You don’t smile or man up or pull yourself together or PMA your way out of it. It’s real.
But hope is also real. And time is bigger than depression. And the life you see after, even during, your recovery is more beautiful than the one you ever knew. The grass greener, the sky bluer, and the music sweeter. You accept your messy miraculous existence with deep gratitude.


Ich muss sagen, das entspricht ziemlich genau dem, was ich erlebt habe. Es ist hart, es mag auch lange dauern, aber früher oder später geht es vorüber, und danach ist es besser als vorher.
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connam
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Re: #mentalhealthawareness

Beitrag von connam »

Twitter-Post von Matt Haig auf deutsch (siehe oben):
Vor 20 Jahren erlebte ich einen Zusammenbruch, der mich fast umgebracht hätte. Einen neuen Schmerz, der mit nichts zu vergleichen war, was ich kannte. Ich fühle immer noch seine Nachwirkungen. Ich hätte nie gedacht, dass ich älter als 24 werden würde. Nächste Woche werde ich 44. Man hält lange genug durch und die Dinge ändern sich. Man wirdt ein neuer Mensch. Das Leben wird wiedergeboren.
Ich habe immer noch Tiefs. Anfälle von Angst. Momente der Selbstzerstörung oder des herannahenden Verderbens. Aber jetzt merke ich, dass ich mit mehr fertig werde, als ich dachte. Ich kann verdammt stur sein und selbst dann am Leben bleiben, wenn es unmöglich erscheint. Das hat mir das Gefühl gegeben, dass ich auch andere unmöglich scheinende Dinge erreichen kann.
Für die Millionen da draußen, die Ahnliches durchmachen: die Depression lügt. Sie steckt in dir. Deshalb hast Du die Kontrolle. Du bist größer als sie. Du bist der Himmel, der darauf wartet, dass die Wolke vorüberzieht. Denn mit dem Verstand ist es wie mit dem Wetter. Sie ändern sich.
Dass ich morgen immer noch mit meinem Partner zusammen sein, Kinder haben, Bücher schreiben oder ein Filmset besuchen würde, schien unmöglich. Völlig unmöglich. Mit 24 glaubte ich nicht einmal an die nächste Woche, geschweige denn an eine Zukunft. Ich wusste, dass ich keine Chance hatte. Ich wusste es ganz sicher. Doch ich schaffte es.
Ich mag auf einige Leute immer noch etwas schüchtern, seltsam, stur oder stolz wirken, aber das ist eben der Preis dafür, den einen seltsamen, unsichtbaren Krieg zu überleben, den niemand je gesehen hat, wo keine Medaillen vergeben werden und wo der Feind, den ich schlagen oder akzeptieren musste, ich selbst war. Aber ich nahm die Herausforderung an.
Und der Punkt dieses Threads ist: Beurteile nicht den Schmerz eines anderen. Verharmlose psychische Erkrankungen nicht. Es gibt nichts - absolut nichts – womit man all den Schmerz vergleichen könnte, den ich durchgemacht habe. Nichts kam dem nahe. Man kommt da nicht raus, indem man lächelt, sich zusammenreißt oder positiv denkt. Der Schmerz ist real.
Aber Hoffnung ist auch real. Und die Zeit ist größer als Depressionen. Und das Leben, das du nach, ja schon während, Deiner Genesung siehst, ist schöner als das, das du vorher gekannt hast. Das Gras ist grüner, der Himmel blauer und die Musik süßer. Du akzeptierst deine chaotische, wundersame Existenz mit tiefer Dankbarkeit.
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ShowFreak
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Re: #mentalhealthawareness

Beitrag von ShowFreak »

Sehr, sehr guter und wichtiger Faden! Denn Depressionen und andere psyschische Erkrankungen sind ja leider auf dem Vormarsch, oder werden heutzutage verstärkt wahrgenommen.

Auch ich bin leider davon betroffen und eigentlich schon so um die zweite Hälfte in 2017 in eine Depression hineingerutscht. Zumindest fing es um die Zeit verstärkt an, dass ich Selbstmordgedanken hatte, nicht mehr leben wollte... In der Zeit lag ja auch der Suizid eines großen musikalischen Idols von mir - Chester Bennington, Frontmann der Band Linkin Park. Seinen Tod zu verarbeiten, hat mich circa ein Jahr gekostet, habe lange gebraucht, um das zu akzeptieren, da er ja durch YouTube und andere soziale Medien immer noch präsent gewesen ist.

Und ja... Seit 2018 bin ich auf Psychopharmaka, die meine depressiven Gedanken und Stimmungen etwas abdämpfen und abmildern sollen. Aber dennoch bin ich damit immer tiefer in die Depression reingerutscht, da in sehr kurzer Zeit viel zu viel Sorgen innerhalb meiner Familie auf mich eingefallen sind - ich hatte den entgültigen Beweis dafür, dass meine eigene Mutter Alkoholikerin ist und sich mit Alkohol sinnlos betäubt. Und ich spreche hier nicht von einer fitten 60zig Jährigen, sondern von einer gebrechlichen 80zig Jährigen, die täglich mehr trinkt, als ihr alter Körper noch abkann. Mit dem Ergebnis, dass sie bisher schon drei Aufenthalte im Krankenhaus hatte und auch schon eine Entgiftung. Und trotzdem trinkt sie weiter. Ich verstehe es nicht, bin verzweifelt darüber und wünsche ihr eigentlich nur einen schönen Lebensabend, aber nicht dieses starke Verlangen nach Alkohol.

Und als ob dieses nicht reicht, habe ich auch noch Mobbing am Arbeitsplatz erleben müsssen, welches neben der Familie bei mir auch eine Menge Stress ausgelöst hatte. Und ich habe dabei noch den Fehler meines Lebens gemacht: ich habe mich im Job meinem Arbeitgeber mitgeteilt, dass ich an Depressionen leide. Ich hoffte auf Verständnis, bekam es natürlich nicht. Ich habe schlussendlich meinen Job damit verloren und galt als nicht mehr belastbar. Sprich, eine psychische Erkrankung sieht diese Firma als Schwäche und entsorgt solche Mitarbeiter dann...

Also bin ich nun im Krankenstand, sprich bekomme Krankengeld, bin in psychiatrischer Behandlung und Kontrolle, meine Medikation wurde drastisch erhöht, auf ein Niveau, wo ich endlich eine Wirkung bemerke und ich muss aktuell einmal die Woche zur Psychotherapie. Und ich denke, ab August muss ich zwei mal die Woche zur Therapie, da mein Psychiater meinte, ich sei so labil zur Zeit, dass eine Einzeltherapie bei mir nicht ausreicht und das nun kombiniert wird.

Und ganz ehrlich: als Fazit aus dem Ganzen ziehe ich, dass in Deutschland an Depresionen erkrankt zu sein, sich immer noch wie ein Stigma anfühlt, über das man am besten nicht sprechen darf. Als ob es meine Schuld ist, dass ich diese Krankheit habe und nun versuche, mich in kleinen Schritten wieder ins Leben zurückzukämpfen. Dabei liegt die Krankheit in meiner Familie. Meine Cousine ist ebenso betroffen und mein Onkel hat sich auf dem Dachboden seines Hauses erhängt...

Das ist meine Geschichte und ich habe keine Ahnung, ob ich je komplett frei von Depressionen sein werde, geschweige denn wie lange diese Genesungsphase dauert.
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connam
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Re: #mentalhealthawareness

Beitrag von connam »

Sich dem Arbeitgeber mitzuteilen, ist wirklich ein zweischneidiges Schwert. Bei mir passierte das damals eher indirekt, denn mein Facharzt hatte für mich eine Rehamaßnahme beantragt, und die wurde just genehmigt, als ich meinen neuen Job antreten sollte. Ich konnte sie noch um ein halbes Jahr verschieben, so dass ich wenigstens die Probezeit hinter mich bringen konnte, und auch wenn mein damaliger Chef nicht begeistert war, hatte er doch genug Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten, um in mich zu „investieren“.

Leider wurde er kurz danach abgelöst, und der neue Chef sah das ganz anders und stufte mich tatsächlich als nicht belastbar ein. Es war offensichtlich, dass er mich am liebsten losgeworden wäre, und zum Teil hat er das auch aktiv versucht. Aber ich habe mich standhaft geweigert, einzuknicken, und stur weiter meine Arbeit gemacht. Nach einer Weile (es waren mindestens zwei Jahre) hat er schließlich doch noch begriffen, dass ich einen wertvollen Beitrag leisten kann, wenn er mich nur lässt.
Aber ich hatte damals viele Momente, in denen ich nicht geglaubt hab‘, in dieser Firma eine Zukunft zu haben. Das alles aushalten zu können. Und dabei wollte ich nichts mehr als wieder finanziell auf eigenen Füßen zu stehen.

Ich weiß, dass viele Firmen mittlerweile Programme aufgelegt haben, um dem Stress und der Überforderung und auch dem Mobbing entgegenzuwirken, aber es braucht nur einen ignoranten, voreingenommenen Idioten in einer führenden Position, und die ganzen Bemühungen sind für die Katz. Manchmal muss der Idiot sogar nicht mal in einer führenden Position sein. Er muss nur genug Einfluß auf die Gruppe haben, um einem das Leben zur Hölle zu machen.
Ich hatte damals nette Kollegen, die das aufgefangen haben. Deshalb hat sich bei mir das Ausharren ausgezahlt, aber das kann man nicht verallgemeinern.

Und ich habe damals auch Psychopharmaka genommen. Ohne sie hätte ich nicht schlafen können, schon allein wegen des Ohrgeräuschs. Und auch ich ging zweimal die Woche zur Therapie, zumindest einige Monate lang, bis das Schlimmste vorüber war.
Alle Maßnahmen zusammen haben mich irgendwann Licht am Ende des Tunnels sehen lassen. Aber wie auch Matt Haig schrieb: es gibt auch heute ab und zu Momente, in denen ich diese Düsternis noch spüre. Dieses schwarze Loch in meinem Brustkorb. Aber diese Momente sind in den letzten Jahren immer seltener geworden. Und mittlerweile machen sie mir keine Angst mehr.
Für mich sind sie tatsächlich nur noch Wolken, die vorüberziehen.
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Re: #mentalhealthawareness

Beitrag von connam »

ShowFreak hat geschrieben:
29. Juli 2019, 18:37

Und ja... Seit 2018 bin ich auf Psychopharmaka, die meine depressiven Gedanken und Stimmungen etwas abdämpfen und abmildern sollen. Aber dennoch bin ich damit immer tiefer in die Depression reingerutscht, da in sehr kurzer Zeit viel zu viel Sorgen innerhalb meiner Familie auf mich eingefallen sind - ich hatte den entgültigen Beweis dafür, dass meine eigene Mutter Alkoholikerin ist und sich mit Alkohol sinnlos betäubt. Und ich spreche hier nicht von einer fitten 60zig Jährigen, sondern von einer gebrechlichen 80zig Jährigen, die täglich mehr trinkt, als ihr alter Körper noch abkann. Mit dem Ergebnis, dass sie bisher schon drei Aufenthalte im Krankenhaus hatte und auch schon eine Entgiftung. Und trotzdem trinkt sie weiter. Ich verstehe es nicht, bin verzweifelt darüber und wünsche ihr eigentlich nur einen schönen Lebensabend, aber nicht dieses starke Verlangen nach Alkohol.
Die Emotionen, die in einem hervorgerufen werden, wenn sich jemand aus der Familie selbst zerstört, bzw. hilfsbedürftig ist, aber Unterstützung rigoros ablehnt, sind sehr belastend. Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. So etwas allein genügt schon, um das eigene Leben auf den Kopf zu stellen. Kann Dich da sehr gut verstehen.
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Re: #mentalhealthawareness

Beitrag von ShowFreak »

Okay... Nach vielen Tagen des Nachdenkens und des Erfassens der Bedeutung meiner abschließenden Diagnose, habe ich entschieden, hier, im geschützten Rahmen, dies nach außen zu tragen und ein wenig zu berichten, soweit ich meine Diagnose schon verstanden habe.

Ich berichtete schon, dass ich an Depressionen leide und wie belastend die sein können. Nun, die Depression ist aber nur ein Puzzle-Teil meines Krankheitsbildes. Ich beschreibe es einmal mit Attributen: Love - Hate, Schwarz - Weis, Zuneigung - Ablehnung, Traurig - Fröhlich! Auch den krassen und unaussprechlichen Sch€i$ habe ich getan; destruktives Verhalten, Suizidal, Selbstverletzungen...

Ich bin Borderliner - ein Grenzgänger, oder wie ich es nenne, ich habe einen Dämon in mir, mit dem Namen Beast. Und Beast lässt mich von Zeit zu Zeit sehr dumme Dinge tun. Aufgrund meiner Berichte, wurde ich von meinem Therapeuten getestet und Interviewt, mit dem Ergebnis: Borderline Persönlichkeitsstörung. Sprich, wenn es mir sehr schlecht geht, herrscht in mir ein emotionales Chaos und meine Stimmung kann von jetzt auf gleich kippen. Diese Zustände kann ich mehrfach am Tag erfahren, rauf, runter. Echt anstrengend und extrem belastend. Ich schwanke dann in einem Zustand zwischen Neurose und Psychose. Das ist vielfach auch der Grund, weshalb Borderliner per se als wahre Monster gesehen werden; weil wir in schlechten Momenten unserer Krankheit zu reinen Monstern werden können. Wir sehen dann die Welt nur in Schwarz und Weis, in Gut und Böse und verzweifeln irgendwann daran.

Und ja es ist so krass, wie es sich anhört. In der Abstufung von Oben nach Unten, stehen wir unter den Antisozialen Persönlichkeitsstörungen (Psychopathen, Soziopathen), danach kommt schon die Borderline Persönlichkeitsstörung. Was aber nicht heißt, dass gleich jeder Borderliner per se schlecht ist und damit fähig wäre, Verbrechen zu begehen oder anderen Personen Schaden zuzufügen. Da spielen Ausprägung, Intelligenz und soziale Herkunft auch noch eine sehr große Rolle. Und ich habe auch nur das Bild gezeichnet, welches die Wissenschaft wiedergibt.

Ich persönlich leider tatsächlich darunter, dass ich Borderliner bin und muss nun erfassen, wie ich mit meiner Erkrankung am besten umgehe, wie ich diesen Teil in mir zu etwas Positivem nutzbar machen kann. Denn mir ist aufgefallen, dass ich als Borderliner, sehr viel mehr Empathie haben kann, als meine Mitmenschen. Ich kann Menschen lesen und einschätzen. Und da ich auch immer nach Liebe und Harmonie suche, habe ich auch eine Menge Nächstenliebe und Verständnis in mir. Zudem kann ich dadurch sehr gut analysieren und bin doch recht selbst reflektiert.

Auch gelten Borderliner als wahnsinnig kreative Menschen. Was bei mir tatsächlich stimmt. Ich habe diese Kreativität und will diese lieber nutzbar machen, als meinen Dämonischen Anteil. Das dürfte auch gut erklären, weshalb es mich immer mal wieder auf eine Bühne zieht. Das Zujubeln und die Bewunderung der Anderen tut mir gut, das brauche ich.

Aber, was wohl das größte Anliegen sein muss: auch für Menschen, wie mich, muss es Verständnis geben! Wir tun viele Dinge nicht, weil wir das so wollen, oder weil uns danach ist. Wir tun dies, weil wir nicht anders können, weil wir in schlechten Phasen unseres Lebens vom Chaos, Irrealität und Ängsten getrieben sind. Weil wir dann Gefühle anders und stärker wahrnehmen, als Menschen, die kein Borderline haben - und im schlimmsten Fall, fühlen wir irgendwann gar nichts mehr (und ich gebe zu: ich verletzte mich dann selbst, um etwas zu spüren und mit mir klar zu kommen). Deshalb muss es heißen: nehmt uns an, nehmt uns in Eure Mitte, wir sind auch gute Menschen, die eben manche Dinge im Leben anders wahrnehmen, als Andere.

Abschließend möchte ich sagen: ich kann hier jeden gut Verstehen, der über meinen Bericht schockiert ist. Ich habe schonungslos ehrlich beschrieben, was mein Leben mit Borderline bedeutet...
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Re: #mentalhealthawareness

Beitrag von connam »

@ShowFreak
Vielen Dank, dass Du das hier im Forum teilst. Zur #mentalhealthawareness gehören alle Varianten mentaler Erkrankungen, deshalb finde ich es wichtig, auch auf Borderline aufmerksam zu machen. Falls das wirklich jemanden schockiert, dann ist das nur ein weiteres Zeichen dafür, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben, bevor wir das Stigma besiegt haben.

Dein Bericht hört sich für mich an, als wärst Du in erster Linie ein sehr empathischer, sensibler und kreativer Mensch. Empathen haben es meiner Meinung nach eh schwer, vor allem wenn es in der Familie Belastungen gibt, denen man sich nicht entziehen oder gegen die man nicht unternehmen kann. Es ist dann schwierig, sich abzugrenzen, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Dass dadurch die Gefühle aus der Balance geraten und die Kontrollmechanismen irgendwann nicht mehr richtig funktionieren, kann ich mir gut vorstellen. Tatsächlich erscheint es mir sogar geradezu logisch.

Du hast eine Diagnose, das ist doch schon viel wert. Und Du bist in Behandlung, das ist ebenfalls total wichtig. Scheinbar gibt es noch keine zugelassenen Medikamente dagegen, vermutlich weil die Erkrankung nicht besonders häufig ist (die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens an einem Borderline-Syndrom zu erkranken, liegt laut Internet bei 1-1,5%). Aber ich hab' gerade gelesen, dass in einer Studie 4 Jahre nach Diagnosestellung bei knapp 50% der Betroffenen von selbst eine Remission eingetreten ist. Weitere zwei Jahre später sind es bereits 70%. Und nach 10 Jahren haben fast 90% der Patienten die Krankheit überstanden. Das klingt sehr ermutigend, finde ich. Durchhalten scheint mir also das Wichtigste, und da ich Dich als sehr intelligent einschätze, und Du Dich als selbstreflektiert beschreibst (Letzteres ist für Borderliner ja eigentlich eher untypisch, also doch auch ein gutes Zeichen :-)), klingt das nach sehr guten Voraussetzungen, um vor allem mit den selbstzerstörerischen Aspekten angemessen umzugehen und die Erkrankung zu überwinden. Und am Ende sogar noch viel Positives daraus mitzunehmen. Du hast offenbar alle Fähigkeiten, die dazu nötig sind.
Ich hoffe, das gibt Dir Mut und Zuversicht.

Übrigens: jemand, der behauptet, keine Dunkelheit in sich zu tragen, hat meiner Meinung nach nur noch nicht ernsthaft genug danach gesucht.
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Re: #mentalhealthawareness

Beitrag von ShowFreak »

Obwohl verständlicherweise das Corona Virus sehr viel Raum in unserem Leben und in unseren Köpfen eingenommen hat, möchte ich dennoch gerne den Focus nochmal etwas auf Psychische Erkrankungen lenken. Diese existieren parallel zu Corona trotzdem noch und nehmen Raum im Leben der Betroffenen ein.

Ich möchte gerne noch etwas von mir persönlich berichten, was seit dem letzten Eintrag so alles passiert ist.

Ich verwenden dazu einmal die Überschrift: "Am Arsch vorbei, ist auch ein Weg - Alles zurück auf Anfang!"

Was ist dazu passiert und wieso komme ich darauf? Im letzten Eintrag ging es darum, dass mir mein damaliger Psychologe die Diagnose Borderline Persönlichkeitsstörung gestellt hatte. Er aber, seiner Aussage nach, nicht qualifiziert gewesen ist, Patienten mit diese Störung zu betreuen. Dieses könnten seine Kollegen in einem speziellen Programm wesentlich besser und ich sollte mich dann besser an seine Kollegen wenden. Okay, klingt fair und ehrlich. Aber dort erst einmal einen Termin zu bekommen, war ja auch schon ein Abenteuer für sich und es hat wirklich eine gefühlte Ewigkeit gebraucht, bis man mir mal ein Vorgespräch anbieten konnte, da man Borderline als gesicherte Diagnose brauchte, bevor eine Therapie starten könnte. War natürlich für mich mehr als suboptimal gewesen - mir ging's echt nicht gut. Und dann noch die Wartezeit dazu...

Auf Druck von meiner Seite aus, kam im März 2020 endlich etwas Bewegung in die ganze Sache und ich erhielt wenigstens den Termin für das Vorgespräch, um ggf. ins Borderline-Programm aufgenommen zu werden. Also das war zumindest meine Hoffnung gewesen. Denn es sollte doch wieder anders kommen. Laut Aussage dieser speziellen Psychologin vor Ort, sei ich zu komplex, mein Päckchen zu groß, als dass man nach einem Termin eine gesicherte Diagnose stellen könne. Und das, obwohl ich bereits sichtbare Narben von psychischen Aussetzern auf dem Körper habe und laut und deutlich nach Hilfe geschrien habe. Dennoch wurde eine weitere Sitzung zur Bestimmung meiner psychischen Leiden vereinbart - mit dem Ergebnis, dass es wieder kein Ergebnis gab, welches als gesicherte Diagnose gelten konnte. "Okay, und was habe ich nun?" war meine Frage. Das konnte mir leider diese Psychologin nicht schlüssig beantworten, ich würde Symptome einer kombinierten Störung zeigen.

Ah ja! Und da zu dem Zeitpunkt meine Verfassung alles Andere als stabil gewesen ist, kam ich teilstationär für 7 Wochen in eine Tagesklinik. Dort könnte ja auch noch meine Diagnose gesichert werden. Super! Wie lange werde ich da wohl wieder warten müssen und wie soll ich in der Zwischenzeit mein Leben organisieren? Wann werden denn dafür mal Gespräche stattfinden...?

Doch überraschenderweise, ging dieser Schritt dann doch zügig und ich kam in die Tagesklinik zur Stabilisierung und zur Bestimmung einer gesicherten Diagnose. Man bemühte sich in der Klinik sehr, mich zu knacken und meine Schwachstellen zu lokalisieren. Da ich ja nur mit Verdacht auf Borderline und Narzissmus in die Klinik gegeben wurde. Und ich muss sagen, diese Erfahrung in der Klinik war sehr interessant gewesen, da ich zu dem Zeitpunkt erst einmal erfahren habe, dass ich für solche Einrichtungen über meine Krankenversicherung einen VIP-Status habe. Was wohl auch die ganzen Annehmlichkeiten erklärte, die ich hatte (kleinere Gruppen, Einzelgespräche, optimale Verpflegung vom Catering Service, komfortable Ruhe - und Rückzugsorte...). Allerdings blieb die ganze Bestimmung meiner Persönlichkeit trotzdem ein Abenteuer, was ich vom Ablauf her wieder etwas forcieren musste, da ich diese permanente Ratlosigkeit nicht länger ertragen wollte.

Mein Argument: "Ich fühle mich wie ein Stück Treibholz, welches den Fluss runter treibt." Ich brauchte Klarheit, in vielen Punkten...

Nun, als Entlassungsdiagnose bekam ich nach 7 Wochen Aufenthalt: Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit Anteilen von Borderline, Narzissmus und Selbstunsicherheit (wobei ich Letzteres bezweifle, da es sich mit Boderline und Narzissmus so gar nicht bedingt), eine mittelgradige Depressive Episode und Burnout. Allerdings hege ich dieses Mal selbst Zweifel an dieser diagnostischen Einschätzung, da es für mich keine eindeutigen Schnittpunkte gab, die diese Diagnose rechtfertigen. Also riet man mir in der Klinik dazu, ich solle weiterhin ambulant zur Therapie gehen, da könne ja nochmal geschaut werden, ob man tatsächlich die Diagnose noch einmal verfeinern muss. Oder wie es nenne: zurück auf Anfang!

Aber ich will hier nicht alles schlecht reden, was mir auf dieser Reise passiert ist. Immerhin habe ich es per Gutachten erreicht, dass ich völlig frei bin und nochmal etwas neues als Beruf lernen darf, weil für meinen alten mehrere Ärzte bestätigt haben, dass ich ihn nicht mehr ausführen darf. Und ich mich nun per Gutachten weiter regenerieren darf, mittels einer Reha, bevor ich überhaupt wieder richtig arbeiten darf. Dafür war dieser lange Weg sehr gut und sinnvoll.

Und warum berichte ich so offen über diese Episode in meinem Leben? Weil ich möchte, dass eben psychisch erkrankte Menschen aus der Dunkelheit heraustreten und genauso ins Licht gehen sollten, wie gesunde Menschen. Wir sind nicht per se schlechter, nur weil man unsere Leiden nicht sieht und diese manchmal eben nur schwer zu verstehen sind. Wir sind wertvoll und genau richtig so, so wie wir nun mal sind!

Und nun möchte ich mich bei Euch bedanken, für Eure geschätzte Aufmerksamkeit, wenn Ihr es bis hier hin geschafft habt. Vielen lieben Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast!
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